Altes Frittieröl ...
... im Autotank?
ISSN: 2571-5860KRAFTSTOFF AUS DER FRITTEUSEMultimediale Berzelius-Maturaarbeit, 2.01, 09/2024
betreut von Heidrun Schüssler,
angefertigt an der Reussbühl Luzern
mit multimedialem Tuning von Dr. Martin Novotny
Hier das Original: Synthese von Biodiesel aus Frittieröl
Vorwort
In dieser Arbeit wird Biodiesel aus Frittieröl, Methanol und zwei verschiedenen Katalysatoren synthetisiert. Die Produkte werden unter anderem mit Dünnschichtchromatographie und FTIR-Spektroskopie untersucht und mit einer kommerziell erhältlichen Referenzprobe verglichen und bewertet.
Die Umsetzung war ein voller ein Erfolg. Biodiesel der mit der Referenz vergleichbar bzw. nahezu identisch ist, konnte hergestellt werden. Wird es in unseren Strassen bald nach Pommes und Schnitzel riechen?
Inhaltsverzeichnis
HAUPTKAPITEL ⇓ & EXKURSE ⇒
Ausgangsstoffe
Edukte
Für meinen Kraftstoff brauche ich zwei Hauptzutaten: Alkohol und Fett bzw. Öl. In dieser Arbeit habe ich Methanol und gebrauchtes Öl aus der Frittenbude benutzt.
Katalysatoren
Auch brauche ich jeweils einige Prisen der beiden eingesetzten Katalysatoren,
- einmal Methansulfonsäure und
- das andere Mal Natronlauge.
Methanol
Methanol, auch Methylalkohol genannt, ist eine giftige, farblose, leicht flüchtige Flüssigkeit mit alkoholischem Geruch. Es ist der einfachste Alkohol mit der Summenformel
CH₃OH.
Rapsöl
Wie alle Pflanzenöle und Fette ist Rapsöl ein Triglyzerid (drei mit Glycerin veresterte Fettsäuren). Bei den Fettsäuren des Rapsöls sind 50–65 % Ölsäure (einfach ungesättigt), 15–30 % Linolsäure (zweifach ungesättigt) und 5–13 % Linolensäure (dreifach ungesättigt).
Methansulfonsäure
Methansulfonsäure (MSA) ist die einfachste Sulfonsäure, eine farb- und geruchlose, viskose Flüssigkeit, die in der Industrie als Lösungsmittel und Katalysator für organische Reaktionen eingesetzt wird.
Natronlauge
Natronlauge ist eine farblose, wässrige Lösung von Natriumhydroxid, die als starke Base reagiert.
Frittieröl und Biodiesel ...... was ist der Unterschied?
Methanol und Katalysator werden vermischt und das Frittieröl gleichzeitig in einem Rundkolben über dem Wasserbad
erhitzt.
Das Frittieröl und das Methanol-Katalysator-Gemisch sind jetzt
in Rundkolben.
Methanol-Katalysator-Gemisch
Heizplatte
Wasserbad
Wasserbad
Frittieröl
Rückflusskühler
Heizplatte
Wasserbad
Wasserbad
Frittieröl und Methanol-Katalysator-Gemisch
Zwei Stunden unter ständigem Rühren auf 60 °C.
Das Rohprodukt wird in einem Eisbad abgekühlt.
Eiswürfel
Heizplatte
Reaktionsgemisch
Wasserbad
Wasserbad
Biodiesel (ungereinigt)
Analyse
Refraktometrie
Willst du mehr über dieses Messmethode erfahren? Dann schaue dir das Berzelius-Laborjournal Refraktometrie Teil 1 an.
Dichtebestimmung
Naja, so einfach ist es auch nicht. Wer diese Methode genauer kennen lernen möchte, schaut sich z. B. dieses Video von DerChemieFuchs an.
Infrarot (IR)-Spektroskopie
Das von mir verwendete Fourier-Transformations-Infrarot (FTIR)-Spektrometer ist eine modernere Version des klassischen IR-Spektrometers und liefert das ganze Spektrum in einer Messung – super schnell und effizient! Benutzen durfte ich das FTIR-Spektrometer des Berzelius-Projektes der PH St. Gallen.
Für mehr Informationen zu diesem Gerät gibt es ein Berzelius-Laborjournal: SCHWINGUNGSSPEKTROSKOPIE – Fingerabdruck der Moleküle, Teil 1: Infrarot-Spektroskopie.
Du möchtest dir auch ein Hightech-Laborgerät für deine Maturaarbeit ausleihen. Hier findest du alle Informationen wie das geht.
Resultate und Diskussion
Mein These: Je ähnlicher meine Messwerte denen des Standards sind, desto besser ist die Synthese gelungen. Sollten die Messwerte mehr denen vom Frittieröl gleichen, dann lief’s eher schief.
Beim basenkatalysierten Biodiesel (hast du schon den Nebenerzählstrang Umesterung gelesen?) habe ich Natronlauge als Katalysator benutzt. Die Synthesen vom säurekatalysierten Biodiesel 1.0 und 2.0 wurden beide mit Methansulfonsäure katalysiert. Die Unterschiede zwischen diesen beiden Synthesen bestanden in den Prozessparametern Temperatur, Katalysatormenge und gering abweichender Vorgehensweisen. Darauf möchte ich hier aber nicht genauer eingehen.
Die gute Übereinstimmung von Brechungsindex und Dichte des basenkatalysierten Biodiesels mit dem Vergleichsstandard, lassen eine erfolgreiche Synthese vermuten.
Der säurekatalysierte Biodiesels 1.0 hat ähnliche Werte wie das Frittieröl. Ein Indikator für eine nicht stattgefundene
Umesterung.
Die Werte des säurekatalysierten Biodiesels 2.0 liegen zwischen denen von
Referenz und Ausgangsstoff, was
auf eine nur teilweise erfolgreiche Synthese hin deutet.
Die Laufstrecke des säurekatalysierten Biodiesels 1.0 ähnelt der des Frittieröls. Dies stützt die Vermutung, dass kaum eine Umesterung erfolgt ist.
Der säurekatalysierte Biodiesel 2.0 lässt auf einen höheren Grad der Umesterung im Vergleich zum säurekatalysierten Biodiesel 1.0 schliessen. Die Umesterung war nicht so erfolgreich wie beim basenkatalysierten Biodiesel.
basenkatalysierter Biodiesel
Biodiesel von Recycling Energy (Referenz)
Frittieröl
säurekatalysierter Biodiesel 2.0
säurekatalysierter Biodiesel 1.0
Der Vergleich der Laufstrecken des basenkatalysierten Biodiesels mit Referenz (Recycling Energy) zeigt, dass die Produkte nahezu identisch sind.
Die Laufstrecke des säurekatalysierten Biodiesels 1.0 ähnelt der des Frittieröls. Dies stützt die Vermutung, dass kaum eine Umesterung erfolgt ist.
Der säurekatalysierte Biodiesel 2.0 lässt auf einen höheren Grad der Umesterung im Vergleich zum säurekatalysierten Biodiesel 1.0 schliessen. Die Umesterung war nicht so erfolgreich wie beim basenkatalysierten Biodiesel.
Vermutlich Fettsäuremethylester.
Vermutlich Fettsäuremethylester.
Vermutlich Triglyzeride.
Vermutlich Triglyzeride.
Könnte von freien Fettsäuren stammen.
Könnte von freien Fettsäuren stammen.
Nicht eindeutig zuordbar, könnten Fettsäuremethylester oder auch Mono-/Diglyzeride sein.
Stammt möglicherweise von freien Fettsäuren, Diglyzeriden oder Monogylzeriden.
Stammt möglicherweise von freien Fettsäuren, Diglyzeriden oder Monogylzeriden.
Stammt möglicherweise von restlichen Triglyzeriden, Diglyzeriden oder Monogylzeriden.
Stammt möglicherweise von restlichen Triglyzeriden, Diglyzeriden oder Monogylzeriden.
Stammt möglicherweise von freien Fettsäuren, Diglyzeriden oder Monogylzeriden.
Die beiden Spektogramme weisen eine hohe Übereinstimmung auf, was auf eine Ähnlichkeit in der Molekülstruktur schliessen lässt und daher für eine erfolgreiche basenkatalysierte Synthese spricht.
Die beiden Spektren sind praktisch deckungsgleich. Was die Hypothese einer nicht stattgefundenen Umesterung unterstützt.
Das Spektrogramm des säurekatalysierten Biodiesels 2.0 weist deutlich vom Spektrogramm des Vergleichsstandards ab, stimmt jedoch auch nicht mit dem Spektrogramm des Frittieröls überein, was ein weiteres Argument für eine nur teilweise erfolgreiche Umesterung ist.
Biodiesel im Einsatz
- Der letzte Schritt wäre, den selbstgemachten Biodiesel in Aktion also in einem Verbrennungsmotor zu testen. Oder besser doch nicht; einfach so selbst herstellen und dann direkt ab in den Tank? Das könnte Ärger mit dem Finanzamt geben – auf Kraftstoffe musst du Steuern zahlen! Außerdem ist nicht jeder Motor biodieseltauglich, da das Zeug dicker ist und manche Motoren damit Probleme haben. Deshalb gibt’s Biodiesel oft nur gemischt mit fossilem Diesel an Tankstellen. Andererseits können ältere Motoren mit der richtigen Einspritzpumpe und einer simplen Vorwärmanlage (um die Viskosität zu reduzieren) direkt mit altem, gefiltertem Frittieröl betrieben werden. Es gibt Weltenbummler, die fahren damit sogar um die Welt. Einen davon lernst du in diesem Video kennen.
Fazit
Die Frage, ob Biodiesel wirklich umweltfreundlicher als der Erdölkraftstoff ist, ist schwieriger zu beantworten. Die Produktion von Biodiesel aus anbauflächenintensiven Ölpflanzen wie Raps, Sonnenblumen, Soja oder Palmen, also aus Lebensmitteln, ist alles andere als sozial und ökologisch nachhaltig. 2007 wurde von der EMPA eine Studie veröffentlicht, die Biodiesel nicht notwendigerweise eine positive Ökobilanz attestiert. Das Ausgangsöl ist entscheidend.
Altes Frittieröl wieder zu verwerten mag richtig und sinnvoll sein. Wenn die Nachfrage jedoch die vorhande Menge an altem Frittieröl überschreitet, besteht die Gefahr, dass aus Lebensmittel hergestelltes Biodiesel zugemischt wird. Das führte in der Vergangenheit schon zu Hunger und Armut. Stichwort: Tank-oder-Teller-Debatte.
Berzelius-MaturaarbeitImpressum
Originalarbeit: Synthese von Biodiesel aus Frittieröl, Mia Schweizer unter der Betreuung von Heidrun Schüssler, Kantonsschule Reussbühl, SJ 2022-2023
Editor-in-Chief und Projektleiter: Dr. Alfred Steinbach
Berzelius-Editorial-Team in alphabetischer Reihenfolge:
Dr. Adrian Brugger, Dr. Claudia Buser Moser, Marianne Leuenberger, Dr. Martin Novotny, Dr. Alfred Steinbach, Dominik Tschirky, Patrick Massen (Medienwerkstatt.PHSG).
Basenkatalysierte Umesterung
Natriumhydroxid
Methanol
Natriumkation
Methanolatanion
Wasser
Zuerst findet eine Reaktion zwischen Katalysator NaOH und Methanol
CH₃OH
statt. Die saure Hydroxylgruppe des Methanols wird deprotoniert. Dieses Proton reagiert mit dem Hydroxidion
des NaOH zu einem Wassermolekül. Zusätzlich entstehen Natriumkationen und Methanolatanionen.
Wird diese Mischung zum Rapsöl gegeben, findet ein nukleophiler Angriff des Methanolatanions jeweils am Carbonylkohlenstoffatoms der Estergruppe der Fettsäuren statt. Der entstandene Übergangszustand ist instabil. Es folgt die Abspaltung eines Methylesters.
Rapsölmolekül
Methanolatanion
Methylester
In einem nächsten Schritt überträgt das Methanol sein Hydroxylproton auf das negativ geladenen Sauerstoffatom. Es entsteht wieder ein neues katalytisches Methanolatanion.
Methanol
Methanolatanion
Diese Umesterung findet auch bei den anderen beiden Fettsäurerestern statt. Methylester und Glycerin entstehen.
Diglyzerid
Methanol
Glycerin
Methylester
Methylester
Säurekatalysierte Umesterung
Zuerst protoniert die Methansulfonsäure das Sauerstoffatom der Carbonylgruppe des Rapsöls. Es entsteht ein Carbokation.
Rapsölmolekül
Proton
Carbokation
Anschliessend erfolgt der nukleophiler Angriff des Methanols auf das Carbokation. Das Produkt ist ein Oxoniumion.
Carbokation
Methanol
Oxoniumion
Die im nächsten Schritt erfolgende intramolekulare Protonenwanderung führt zur Entstehung eines weiteren Oxoniumions.
Oxoniumion
Oxoniumion
Nun erfolgt die Abspaltung eines Alkoholmoleküls.
Oxoniumion
Alkoholmolekül
Der letzte Schritt besteht aus der Deprotonierung des protonierten Moleküls. Es entsteht der Fettsäuremethylesters.